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Die aktuellen Stressfaktoren in Zeiten der Corona Krise sind vielfältig: Stabilitätsfaktoren werden entzogen, stützende soziale Kontakte werden erschwert, Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit drohen, die eigene Verantwortung steigt, während die Planungssicherheit sinkt, Ängste und Verunsicherung nehmen zu. Viele fühlen sich ausgeliefert und erleben einen Kontrollverlust. Die Probleme erscheinen übermächtig und unlösbar. Oft kommt es zu Schlafstörungen, einem Vorboten vieler psychischer Belastungen, aber auch zu einem Verlust der Tagesstruktur wegen fehlender Arbeits- und Alltagsroutinen.

Konfliktbehaftete Situationen im häuslichen Umfeld nehmen wegen fehlender Ausweichmöglichkeiten zu. Konflikte in partnerschaftlichen Beziehungen eskalieren wegen Verschiebung von Rollen, Übernahme von Verantwortung durch Homeschooling und erlebter Überforderung. Mehrfachbelastungen wie Home Office, Homeschooling und Haushalt führen zur Verstärkung von Beziehungskonflikten jeglicher Couleur, die auch eigentlich stabile Beziehungen stark belasten können.

Die folgende Geschichte veranschaulicht das Thema und wir hoffen, dass Sie nach dem Lesen gestärkter in die Zukunft blicken können.

 

Das Geheimnis der inneren Stärke

Von Janett Bernhardt

Enttäuscht lässt Paul die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Der Knall der zufallenden Tür hallt durch den Hausflur. Paul streift seine völlig durchnässte Jacke ab. Es regnet in Strömen und auf dem Heimweg ist ihm die Kette vom Fahrrad abgesprungen. „Heute ist wieder einer dieser verflixten Tage“, denkt er sich und lässt sich schnaubend in seinen Sessel fallen. Pauls Ausblick aus dem Fenster offeriert ihm nicht viel Freudiges. Alles dort ist grau in grau gefärbt. „Wie ernüchternd“, denkt er sich und zieht die Stirn kraus, während sein Blick rüber zum Kalender wandert. Es ist Mittwoch – dieser berüchtigte Mittelfinger-Mittwoch. Nichts läuft nach Plan: der Chef war heute mal wieder gar nicht zufrieden zu stellen, das Mittagessen in der Kantine war völlig versalzen und Pauls Magen knurrt unüberhörbar vor Hunger. Zu allem Überfluss muss sein Fahrrad nun auch noch in die Werkstatt. Paul schließt die Augen und lehnt gedankenverloren den Kopf an, als es plötzlich mehrfach klingelt. „Wer stört denn jetzt noch mein Nachmittagsschläfchen?“ brummt er vor sich hin und öffnet die Tür. Es ist Oma Inge – die Nachbarin von nebenan. Alle hier im Haus nennen sie so, weil sie eine offenherzige und liebevolle alte Dame ist, die immer einen guten Rat für Ihre Nachbarn parat hat. „Paul,“ sagt sie und hält ihm einen gut duftenden Teller unter die Nase. „Ich habe dich die Treppe hoch schlurfen gehört. Dein Gesichtsausdruck spricht Bände und bestätigt meinen Verdacht. Du scheinst einen schlechten Tag gehabt zu haben. Hier sind ein paar frische Kekse für dich. Lass sie dir schmecken.“ Oma Inge setzt schon zum Gehen an, dreht sich dann jedoch nochmal um „Ach Paul – merke dir eins: Du musst resilienter werden. Egal, in welcher Krise du auch steckst – mach das Beste aus den Dingen und gewinne allem etwas Positives ab.“ „Wenn das mal so einfach wäre“, entgegnet Paul und bedankt sich aufrichtig für die Kekse.
Zurück in seinem Sessel vernascht er die Köstlichkeiten von Oma Inge und zückt sein Handy. „Resilient – das Wort habe ich noch nie gehört. Was bedeutet das eigentlich?“, denkt er sich und wirft die Suchmaschine an:

RESILIENZ           Substantiv, feminin [die]

  • psychische Widerstandskraft;
  • Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen

Paul liest weiter und erfährt, dass das Wort aus dem Englischen stammt und im Sinne von Material-eigenschaften elastisch und unverwüstlich gebraucht wird. Ein resilientes System kann Störungen von innen und außen ausgleichen, ohne sich dabei aufzulösen oder langfristigen Schaden zu nehmen. Paul leitet daraus für sich ab, dass er sofern er Probleme hat oder in einer Krise steckt, Verluste erleidet oder erkrankt ist, nicht resignieren sollte, sondern sich selbst aus der Situation verhelfen sollte – er muss sich auf seine Stärken besinnen und seinen Lebensweg wieder in eine positive Leistungskurve lenken.

Paul notiert für sich gedanklich: „Resilienz kann nur erwachsen, wenn es Situationen gibt, an denen sich der Mensch erproben kann. Man muss über seine Grenzen gehen, um diese auszuloten. Die Fähigkeit, sich selbst in Stresssituationen zu regulieren, hilft Stärken auszubilden und die Krise zu bewältigen“

Während Paul die letzten Keks-Krümel von seinem Teller aufliest, überlegt er, wann er sich zuvor in schwierigen Zeiten in seinem Leben verhalten hat und was er künftig besser machen kann? Dem Chef aus dem Weg gehen, erscheint ihm plötzlich nicht mehr als die richtige Lösung. Er liest weiter, dass es bestimmte Persönlichkeitsfaktoren gibt, die resilientes Verhalten bestimmen:

 

 

Paul war völlig vertieft in dieses Thema. Er stellt fest, dass es Ereignisse im Leben gibt, auf die wir keinen Einfluss haben und die unser Leben trotzdem auf den Kopf stellen. Resilient sein heißt, nach angemessener Zeit trotzdem wieder das Steuer in die Hand zu nehmen, sich seiner Selbstwirksamkeit bewusst zu werden und Verantwortung für die eigene Zukunft zu übernehmen.

Inzwischen ist es dunkel draußen geworden. Die Zeitschaltuhr seines Lichtbogens ist angesprungen und taucht die Wohnung in ein wohlig warmes Licht. Paul ist positiv gestimmt über das, was Oma Inge ihm heute mit auf den Weg gegeben hat. Weihnachten und der Jahreswechsel stehen bevor. Er springt auf, um sich einen Zettel und Stift zu holen und gute Vorsätze für das neue Jahr zu notieren, die ihm dazu verhelfen sollen, noch selbstsicherer in das neue Jahr zu starten. Ganz oben notiert er:

 

ICH WILL – ICH KANN – ICH WERDE!

 

Paul ist froh darüber, dass Oma Inge ihm gegenüber wohnt und ungefragt eine wichtige Stütze in seinem Leben darstellt. Zu ihr konnte er unbewusst eine stabile emotionale Beziehung aufbauen. Er schätzt ihre positive Art und beschließt, sich mit einem Strauß Blumen bei ihr zu bedanken.