WO WIR WOHNEN April 2021

18 NACHBARSCHAFTSHILFEVEREIN Frau Johansson, Sie sind seit über 6 Jahren im Nachbarschaftshilfe- verein aktiv. Was ver- binden Sie mit dem Vereinsleben? Das Wichtigste am Vereinsleben ist für mich der Kontakt zu anderen Menschen. Die ak- tive Teilnahme am sozialen Leben hatte für mich schon immer eine große Bedeutung. Ich bin mit Menschen zusammen, bringe Ideen ein und tausche mich aus. Das Mit- einander macht das Vereinsleben aus. Wie kam es, dass Sie in den Vorstand gewählt wurden? Vor drei Jahren war der Vorstand des Vereins eigentlich voll besetzt, doch dann ist kurzfristig ein Vorstandsmitglied aus Greifswald weggezogen und somit musste dieses Ehrenamt neu besetzt werden. Un- ter den Mitgliedern wurde unter anderem in den Mittwochstreffs überlegt, wer sich solch eine Tätigkeit vorstellen könnte. Wie wir am Ende auf mich kamen, weiß ich gar nicht mehr so genau. Wahrscheinlich hat mich jemand vorgeschlagen, weil alle wissen, dass ich meinen Mund nicht halten kann. (lacht) Nein, Spaß beiseite. Ich habe mich schon immer, seitdem ich im Verein aktiv bin, dafür eingesetzt, dass die Wünsche und Bedürfnisse der Mitglieder und der Menschen aus dem Stadtteil in der Vereinsarbeit Berücksichtigung finden. Des- halb konnte ich mir die Arbeit im Vorstand auch sehr gut vorstellen. Sie sind 1994 nach Schweden ausgewan- dert und erst nach fast 21 Jahren wieder nach Greifswald zurückge- kommen. Können Sie uns ein wenig aus dieser Zeit erzählen? Ja gern. Nach Schweden hat es mich verschlagen, weil ich meinen Mann kennenlernte, der Schwede ist. Wir haben geheiratet und dann entschieden, nach Schweden zu ziehen und dort zu leben. Ich habe sozusagen in Greifswald alles hinter mir gelassen, die Familie, das soziale Umfeld, die Arbeit in der Gastronomie. Aber der Kontakt zu Familie und Freunden brach in dieser Zeit nie ab und hat mir immer viel bedeutet, sodass ich meine Entscheidung, in Schweden zu leben, nicht bereut habe.„Es war ein totales Abenteuer“, würde ich aus heutiger Sicht sagen. In der Anfangszeit war ich Hausfrau und habe die schwedische Sprache gelernt. Das ist mir glücklicherweise sehr leicht gefallen, da ich schon immer ein Faible für Sprachen hatte. Dann machte ich eine zweijährige Ausbildung zur Krankenpflegerin und habe danach viele Jahre in der Altenpflege gearbeitet. Als„Aktivitätsverantwortliche“ meiner Abteilung kümmerte ich mich um Fördergelder und organisierte Veran- staltungen, Ausflüge und Feste für die Senior*innen. Eine besondere Leidenschaft von meinem Mann und mir war das Reisen mit dem Wohnwagen. Wir entdeckten neue Länder und Gegenden und fühlten uns so frei und unabhängig. Ich verbinde so viele schöne Erinnerungen mit dieser Zeit. Frau Johansson, Sie gehörten in Schweden einer „Bostadsrättsfö- rening“ an. Was ist das genau? Und kann man es mit einer Genossen- schaft vergleichen? Ja, mein Mann und ich wohnten in einer für Schweden typischen Wohnrechtverei- nigung„Bostadsrättsförening“. Bei dieser Wohnform kauft man eine Wohnung oder ein Haus und bezahlt dennoch Miete, die dann für anstehende Reparatur- und In- standhaltungskosten genutzt wird. Dieses Modell funktioniert ein wenig nach dem Selbstversorgungsprinzip. Die Wohnrecht- vereinigung ist insofern mit der Genossen- schaft vergleichbar, dass sich die Mitglieder in die Arbeit mit Ideen und Vorschlägen einbringen können, so wie die Mitglie- dervertreter, die bei der Genossenschaft gewählt werden. In unseremWohnquar- tier engagierte ich mich ehrenamtlich im Vorstand der„Bostadsrättsförening“. Wie kam es, dass Sie wieder nach Deutsch- land zogen? Der Wunsch ging von meinem Mann aus. Er mochte Deutschland sehr, wir waren hier ja oft im Urlaub oder zum Familienbesuch. Mir fiel es schwer, wieder in Deutschland Fuß zu fassen, da ich nur wenige Jahre nach der Wende ausgewandert bin. Das System hatte sich seitdem komplett geän- dert, Steuererklärung, Sozialversicherungs- system, Ämterstrukturen usw. Ich musste mir alles neu aneignen. Am Anfang fiel mir auch das„Siezen“ schwer, denn in Schwe- den spricht man alle mit„Du“ an. Aber jetzt fühle ich mich wohl in Greifs- wald und denke sehr gern an die Zeit in Schweden zurück. Einen großen Anteil an dem„Wieder zu Hause-Gefühl“ hatte meine Familie, die mir immer hilfreich zur Seite gestanden hat. Frau Johansson zum Abschluss noch eine kurze Frage. Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Vereins und für Ihre eigene Zukunft? Für den Verein wünsche ich mir, dass die Coronazeit bald vorbei ist und wir wieder ein aktives Mitgliederleben führen können. Für mich und meinen Mann wünsche ich mir vor allem Gesundheit und dass wir noch ein paar gemeinsame Jahre miteinan- der verleben können. Wir danken Ihnen für das Gespräch. ROSEMARIE JOHANSSON, 73 JAHRE ALT, VERHEIRATET, SEIT 2014 IM VEREIN AKTIV, SEIT 2019 IM VORSTAND DES VEREINS TÄTIG Vorstandsmitglied Rosemarie Johansson Einmal Schweden und zurück Helsingborg Greifswald Schweden NACHBARSCHAFTSHILFEVEREIN 19

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